Status Quo:
- In der Politik fehlt eine gemeinsame Vision für die Digitalisierung im Pflegebereich. Zusätzlich verhindert die Trennung der Bereiche Gesundheit und Pflege im Sozialbereich Synergien.
- Die Digitalisierung hat das Potential, dem Personalmangel im Pflegebereich entgegenzuwirken, Zeitgewinn zu schaffen, die Arbeit zu erleichtern und die Pflegeberufe zu attraktiveren. Ebenso ist sie die Chance, länger ein selbstbestimmtes Leben zu führen und persönliche Autonomie zu erhalten.
- Derzeit gibt es keine Erstattung von digitalen Lösungen (digitalen Heilbehelfen) für die Pflege. Es sind jedoch kaum marktfähige, rein privat finanzierbare Produkte verfügbar (abgesehen von PC, Tablet, Smartphone, Exoskeletten, Ambient Assisted Living (AAL), Smarthome-Lösungen, Sturzpräventionslösungen usw.)
- Die stationäre Pflege dominiert laut Hilfswerk-IHS-Studie in Österreich den Pflegebetrieb – mit starkem Aufwärtstrend. Diese Entwicklung wird von der landesweiten Finanzierungs- und Förderungsstruktur vorangetrieben. [1] Gleichzeitig herrscht ein großer Personalmangel und alle Pflegebedürftigen wünschen sich eine realistische Wahlmöglichkeit zwischen einem stationären Aufenthalt und der Betreuung/Behandlung zu Hause
- Die Bereiche Telemedizin, Telepflege, Telebetreuung und Teleberatung sind rechtlich nicht ausreichend geregelt. Ebenso fehlt es an digitalen, unkomplizierten Lösungen für Antragstellung und Rückerstattungen im Sozialversicherungsbereich.
- Digitale Plattformen transformieren das Pflegewesen nachhaltig und bilden einen festen Bestandteil der „neuen Normalität“. Sie führen zu potenzieller Effizienzsteigerung und zur Vereinfachung und Beschleunigung von Prozessen.
- Derzeit gibt es keine etablierten B2C/B2B Geschäftsmodelle für digitale Pflegelösungen. Gleichzeitig drängen neue, branchenfremde Akteure auf den Pflegemarkt, um ein gänzlich und langfristig neues Ökosystem zu schaffen, wie beispielsweise durch den Bau eigener Versorgungsstrukturen. Derartige Aktivitäten waren bis dato lediglich etablierten Playern vorbehalten. Technologiekonzerne (z.B. Amazon) aus West und Ost rücken am Gesundheitsmarkt in den Fokus, da diese über große Datenmengen verfügen, die Rückschlüsse auf den aktuellen Zustand ihrer Klient:innen zulassen. Jene Konzerne verfügen darüber hinaus über datengetriebene Geschäftsmodelle. Sofern diese BigTechs in der Lage sind, ihre Klient:innen auch in höchstpersönlichen Lebensbereichen – wie der Gesundheit – zu binden, kann dies über einen längeren Zeitraum einen Lock-in Effekt hervorrufen. Das heißt, dass Klient:innen so eng an einen Anbieter gebunden sind, dass ein Wechsel nur mit großem Kostenaufwand und aufwändiger Umstellung möglich ist.
Vision:
- Verbesserung der Bedingungen im Pflegebereich für alle Stakeholder durch Anwendung von digitalen Lösungen. Kostendämpfung, Effizienzsteigerung, Erleichterung der Pflegetätigkeiten bei gleichzeitiger Steigerung der Selbstbestimmungsmöglichkeiten von Klient:innen.
Maßnahmen:
- Entwicklung eines Masterplans für Pflege und Digitalisierung durch Verankerung im Regierungsarbeitsprogramm mit klar dotiertem Budget:
- mit klaren ethischen Guidelines und Entwicklung von rechtlichen Rahmenbedingungen für digitale Anwendungen (Telemedizin und KI) und der Einrichtung einer zugehörigen Kommission. Aufgabe der Kommission ist die Klärung von rechtlichen Rahmenbedingungen, die die Autonomie der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen aufrechterhalten sowie die Klärung der Frage, wie die Einwilligungsfähigkeit beider Gruppen berücksichtigt/unterstützt werden kann.
- eine Modernisierung des Gesundheits- und Pflegewesens (unter Berücksichtigung der Lösungen, die durch die Digitalisierung geboten werden), durch die Schaffung eines Government-Modells für die Erstattung von digitalen Heilbehelfen und deren Anwendung einerseits, als auch die Implementierung von digitalen Lösungen andererseits.
- Schaffung einer digitalen Infrastruktur für die Vernetzung aller Gesundheits- und Pflegeleistungen und Stakeholder durch den der/die einzeln:en Klient:innen als nächste Stufe Zugang zu einem umfassenden persönlichen eHealth-Ökosystem bekommen Dadurch wird die Fragmentierung im Gesundheits- und Pflegewesen überbrückt und damit den Klient:innen ermöglicht, aufbauend auf e-card, ELGA und Co, ihr Leben eigenverantwortlich zu gestalten und ihre persönlichen Daten unter Ausweitung des bestehenden öffentlich-rechtlichen Schutzes hochsicher und unabhängig zu verwalten Am Beispiel der Pflegedokumentation zeigt sich, dass es eine Vielzahl an Programmen gibt, die in Verwendung sind, aber innerhalb der Träger der Landesorganisationen unterschiedliche Programme genutzt werden. Damit sind Schnittstellen aufwendig bis nicht vorhanden.
- Durch Start einer digitalen Ausbildungsoffensive für Pflegepersonal und pflegende Angehörige, welche tendenziell Hand in Hand mit der „Aufrüstung“ des Pflegepersonals mit State-of-the-Art Hardware und Verträgen/Datenvolumen einhergehen soll.
- Bewusstseinsbildende Maßnahmen in der Gesellschaft und bei Betroffenen zur Digitalisierung in der Pflege (durch öffentliche PR-Kampagne), die auch zu einer Attraktivierung des Berufsstandes führen.
Diese Maßnahmen bewirken:
- Längerer Erhalt des selbstbestimmten Lebens für Klient:innen im eigenen Zuhause
- Reduktion des Pflegekräfte- und Ärztemangels (besonders am Land)
- Entlastung und Unterstützung aller handelnden Akteur:innen
- Volle Kontrolle und Transparenz über Daten: Bestehende Lösungen gewährleisten Datensicherheit sowie Datenschutz und der User kann den jeweiligen Zugriff sicher verwahren
- Kostendämpfung im Gesundheits- und Pflegewesen
- Vernetzung aller Akteur:innen
[1] Der RH ermittelte für das Jahr 2016 Gesamtkosten von rund. 7,9 Mrd. EUR, von denen etwa 2,9 Mrd. EUR vom Bund, rund 2,1 Mrd. EUR von Ländern und Gemeinden und rund 2,9 Mrd. EUR von Privaten stammten. Diesen Mitteln standen Leistungen im Wert von 3,4 Mrd. EUR für Pflegeheime, von 3,1 Mrd. EUR für die Arbeitsleistung informeller Pflege, von 0,7 Mrd. EUR für mobile Dienste und von 0,6 Mrd. EUR für die 24–Stunden–Betreuung gegenüber.
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